Folke Stengel,
Mitbegründer der Bürgerinitiative „Verkehrsbelästigung Schiefbahn Nord“
Wie ich es sehe….
Die Landflucht ist nicht
aufzuhalten. Die Politik übersieht diesen Umstand, was zu Fehlern führen wird.
Sie mögen meinen, es ist
ein Fehler hier nach China zu schauen. Peking ist ein Paradebeispiel dafür, was
unseren Metropolen in ein paar Jahren bevorstehen kann/wird. Unsere Großstädte
wachsen, benötigen künftig mehr Bodenfläche für ihre Ausdehnung, oder sie
wachsen in die Höhe. Die Bevölkerungsdichte wird steigen.
Das Ruhrgebiet mit 5
Millionen Bewohnern rangiert als Ballungsgebiet auf Position 78, Berlin mit 4,3
Millionen Menschen an 95. Stelle. Peking mit seinen 20 Millionen Einwohnern
steht an 13. Position der
weltgrößten Großstädte. Die Einwohnerzahlen dieser Ballungs-gebiete werden
Prognosen zufolge von der Einwohnerzahl her zunehmen. Junge Menschen drängen in
die Städte. Studium, Arbeit, pralles Leben, den Wohlstand genießen. Die
Anziehungskraft der Großstädte leidet nicht unter kaum bezahlbarem Wohnraum,
unter hartem Wettbewerb um gute Jobs, oder unter Kindergarten- und
Ausbildungsplätzen. Es entsteht eine neue Urbanisierungswelle für das soziale
Gefüge unserer Republik. Neue Sehnsuchtsorte
wie München, Berlin, Hamburg und Dresden ziehen junge Menschen an.
Soziologen nennen sie
Schwarmstädte. In den Dörfern bleiben die Alten und Bedürftigen zurück,
verfällt die Infrastruktur, weil Steuereinnahmen wegbrechen und Schlüsselzu-weisungen des Landes sinken.
Deutschland erlebt 25 Jahre nach dem Mauerbau eine neue Teilung in Reich und
Arm, übervölkert und untervölkert, modern und rückständig.
Ein schleichender
Prozess, der weder aufzuhalten noch umzukehren ist. Früher gab es nur wenige
Großstädte. Die Mehrheit der Bevölkerung wurde auf dem Land zur Nahrungs-produktion
benötigt. Der Transport dieser Güter war über weite Strecken einfach zu teuer.
Heute arbeiten noch zwei
Prozent der Bevölkerung in der Land- und Forstwirtschaft. Groß-konzerne
versorgen uns mit billigen Lebensmitteln aus aller Welt. Es gilt den
Flächen-verbrauch zu stoppen und die Weichen für eine andere Zukunft zu
stellen. Schrumpft die Bevölkerung ist die staatliche Daseinsvorsorge in altem
Umfang bald nicht mehr tragbar.
Die Schließung von
Schwimmbädern und Schulen, Spielplätzen, Marktplätzen, Veranstaltungsräumen
in der Provinz
ist und Krankenhäusern bereits in vollem Gange - Weniger
Menschen brauchen weniger Infrastruktur. Dennoch malen Kommunalpolitiker in der
Provinz krampfhaft weitere Pläne für neue Baugebiete und Gewerbeparks auf der
grünen Wiese, drängen sie auf Verschönerung von Innenstädte – in der Hoffnung,
so die Bevölkerungszahl und das Steueraufkommen stabilisieren zu können.
Schlauer wäre das Gegenteil: der gezielte Rückbau von Institutionen und
Infrastrukturen in der Fläche. Standards müssten neu definiert, menschenentleere
Dörfer auch aufgegeben werden. Jeder soll weiterleben wo er mag, aber niemand
darf erwarten, auf dem Land die gleiche Lebensqualität und die gleichen
Internet-Geschwindigkeiten vorzufinden wie in der Großstadt. Das Weniger-Werden ist eine Chance, alte
Strukturen neu zu denken, die Verwaltung der Verkehrssysteme, auch die
Energieversorgung. E-Governace könnte
viele Rathäuser überflüssig machen, eine Föderalismusreform den Weg frei machen
für ein neues Raumverständnis – das nicht auf die Bewahrung alter Idyllen
abzielt, sondern auf die Verhinderung städtebaulicher Katastrophen- wie die
unserer Megastädte der Zukunft.
Städte wie Willich
bleiben Vororte und ihre jungen Einwohner ziehen in die Stadt um. Zurück
bleiben Menschen die zu Rollatoren greifen müssen.
Geschrieben in Anlehnung an den Leitartikel „Vom
Weniger-Werden“ von Franz W. Rother
in der WirtschaftsWoche # 18 vom 28.04.2014